Premiere von Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ in Torgelow
„Die Kleinbürgerhochzeit“ ist ein ganz frühes Stück des jungen Bertolt Brecht aus dem Jahre 1919. Sonst nur selten gespielt, ist es nun am Gymnasium Schloss Torgelow wieder einmal zur Aufführung gelangt. Die Premiere am 31. Mai in der Aula war ein voller Erfolg, weil die Schlosstheatertruppe mit ihrer Inszenierung der Idee Brechts gerecht wurde, mit einer Groteske eine zwanghafte Gesellschaft zu charakterisieren, die sich um Anständigkeit und Repräsentation bemüht, aber ausgerechnet am Hochzeitstag kläglich scheitert.
Das Ganze beginnt recht harmlos mit einem Hochzeitsessen, kredenzt von der herrlich spießigen Mutter des Bräutigams (Leokadia Fötisch), während der Vater der Braut (Elisabeth Winkler) nicht müde wird, allerlei (un)passende Anekdoten zu erzählen, die aber niemand hören will.
Die Braut (Katharina Bunk) scheint zunächst voller Stolz auf ihren ach so praktisch veranlagten Ehemann (Martje Synwoldt), bis sich herausstellt, dass die selbst gefertigten Möbel doch recht brüchig sind. Unter den Gästen freut sich „die Frau“, wunderbar boshaft gespielt von Lavinia Rosen, über jedes zusammenkrachende Möbelstück. Die Reaktionen werden zunehmend bösartiger, sodass bald das ganze Harmoniegebäude wie ein Kartenhaus zusammenbricht: „Die Frau“ attackiert ihren Mann (Sarah Siwonia), der sich zunächst gar nicht, später aber doch nach Kräften wehrt, während die Schwester der Braut (Anica Eigner) sich lüstern dem „jungen Mann“ (Vanessa Wilcke) zuwendet. Zwischen diesen beiden knistert es so richtig nach allen Regeln der Kunst. Warum auch nicht, denkt man im Publikum, doch dann kommt es ausgerechnet zwischen der Braut und dem Freund des Bräutigams (Anastasija Bräuninger) zu heftigen Annäherungen.
Perfekt ist die Katastrophe allerdings erst, als „die Frau“ die Bombe platzen lässt: Die Braut, so verrät sie es den sensationsgeilen Gästen voller Bosheit, ist schwanger. Im allgemeinen Streit platzt die ganze Hochzeitsgesellschaft, der Umgang der zurückgebliebenen Brautleute miteinander lässt für die gerade beginnende Ehe nichts Gutes ahnen.
Christiane Scherfig musste bei ihrer Inszenierung das Problem lösen, nur SchauspielerINNEN zur Verfügung zu haben. Was das Team daraus gemacht hat, war überaus sehenswert, unterhaltsam und auch nachdenkenswert. Ein Effekt des Nachdenkens sollte zusätzlich bewirkt werden durch eine Musik- und Videopräsentation nach Ende des Stückes, erarbeitet vom engagierten Technikteam um Patrice Behrend, Alexander von Storch, Florian Burchett-Scherfig und Jörg Märzke. Dieser Schluss provozierte zwar bei manchem Zuschauer mehr Fragen als Antworten. Aber dies ist ja durchaus ganz im Sinne des epischen Theaters von Brecht, sodass unter dem Strich eine tolle Leistung der Schlosstheatertruppe, die ihre Souffleuse (Michelle Retzlaff) an diesem Abend gar nicht benötigte, vom Publikum mit ganz viel verdientem Beifall honoriert wurde.