Laura Bucher schreibt über ihre ersten Tage im Internat

Wieder eine neue Schule. Wieder neue Leute und wieder neue Lehrer. Wieder die Neue sein. Eigentlich hatte ich nicht noch einmal vor, nach meinem Auslandsjahr in den USA auf eine neue Schule zu kommen. Meine alte mit allen meinen alten Freunden frohlockte schon und ich machte allerlei Pläne, wie die 11. Klasse in Bonn aussehen könnte. Doch alles sollte anders kommen.

Eines Abends schickte mir meine Mutter eine Liste von Internaten, welche für mich in Frage kommen könnten. Noch in den USA fing ich an, Bewerbungen für einige der berühmtesten Privatinternate Deutschlands zu schreiben, darunter auch Schloss Torgelow. Nach langem Hin und Her und einem Bewerbungsgespräch über Skype entschied ich mich also für Schloss Torgelow bei Waren an der Müritz.

Sicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, war ich mir nicht und daher fuhr ich mit Grummeln im Magen zu meiner ersten Besichtigung. Die Schule kannte ich bis dahin nur aus Bildern und Artikeln aus dem Internet. Ob die Gebäude wirklich so modern und neu waren wie auf den Bildern? War das Schloss so imposant wie auf den Bildern? Diese und einige andere Fragen schwirrten mir durch den Kopf, als ich durch die kleinen Dörfer fuhr, deren Anblick mich allein allerdings zunächst einmal schockte. Auch die Vorurteile, welche ich aus den Artikeln und Sendungen hatte, ließen mich nicht los. Waren hier alle Schüler Super-Genies? Kann ich hier überhaupt mithalten? Finden die Schüler es nicht auch komisch, die Notendurchschnitte auszuhängen und sich in Leistungsgruppen einteilen zu lassen?

Mit all diesen Gedanken fuhr ich die Schlosseinfahrt entlang und in erstem Moment blieb mir der Mund offen stehen. Dieses Mosaik von hübschen, neuen und alten Gebäuden hatte ich nie in einer Schule erwartet. Als wir dann einen Rundgang durch die Schule machten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Vor allem die Aussicht auf den See hatte es mir angetan. Doch als wir dann ins Jagdzimmer mit den Geweihen und den toten Tieren geführt wurden, musste ich aufpassen nicht laut zu fragen: „Wo bin ich denn hier gelandet?“ Nach diesem Tag verließ ich die Schule mit noch mehr Zweifeln, als ich gekommen war, denn erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass das mein Zuhause für die nächsten zwei Jahre werden sollte.

Dabei war ein Internat für mich nichts Neues, da ich in den USA bereits eines besucht hatte. Doch in Deutschland ist es noch mal etwas ganz anderes. Das Gefühl, welches die Leute einem in Deutschland geben, ist einfach anders als Amerika. Man ist distanzierter, nicht gleich so offen und persönlich. Doch trotzdem fühlte ich mich hier von Anfang an pudelwohl. Nach einigen Problemen bei der Zimmereinrichtung, welche, ehrlich gesagt, einfach zu klein für zwei Personen und alle meine Klamotten sind, begann auch schon das alltägliche Programm.

An die ersten Tage kann ich mich allerdings nicht mehr ganz genau erinnern, da sie einfach in sich verschwammen wie ein buntes Gemälde. Doch bemerkt habe ich viele Unterschiede zu meinem alten Leben. Viele bessere, manche schlechtere Dinge, einfach anders.

Die erste eher negative Erfahrung machte ich dabei gleich am ersten Abend: das Handynetz. Der erste Anruf endete in Gestotter und genervtem Auflegen. Auch die anderen nachfolgenden Versuche verliefen nicht anders. Seitdem achte ich genauestens darauf, wo man mehr als 2 Balken hat, und flippe regelrecht aus, wenn dazu auch noch 3G kommt. Genauso reagiert man, wenn man einigermaßen schnell Facebook, YouTube, Skype... laden kann. In diesem Falle lernt man erst die Privilegien von zu Hause richtig zu genießen. Welch ein Luxus!

Auch die Schule ist anders als Zuhause. Dazu kommt zuerst das frühe Aufstehen, welches mich manchen Morgen einige Überwindung kostet. Doch dafür ist der Unterricht oft umso interessanter, was an den kleinen Klassen, moderner Technik und guten Lehrern liegt. Man lernt hier in einer Woche mehr, als ich zu Hause in einem Jahr gelernt hätte. Trotzdem verwirrten mich einige Dinge gewaltig. Vom Taschenrechner, welcher eher die Größe und Technologie eines iPads hat, bis hin zu einer gesamten Klasse, welche interessiert dem Lehrer folgt. Hände, die in die Höhe schnellen, wenn der Lehrer eine Frage stellt, und Schüler, die alle unbedingt gut abschneiden wollen; das war ich in diesem Maße nicht gewöhnt. So viele gute Schüler konnte es doch nicht geben! Jetzt stellt man auch eher fest, dass sie sich wie ganz normale Schüler benehmen und den gleichen Unsinn anstellen, wie andere, wenn der Lehrer mal nicht dabei ist. Welch eine Erleichterung!

Dann kam das erste IWO (Internatswochenende)! Dies war nicht nur eine neue Erfahrung nach nur einer Woche, sondern hat auch geholfen, andere Leute näher kennen zu lernen. Nachdem man sich bei Takeshis-Castle so richtig reingehängt hatte (So etwa, wie es meistens nur neue Schüler machen, wie ich dabei bemerkt habe.), verfiel unser ganzer Stock in totale Hektik, um sich schick für das Formal- Dinner zu machen. Letzte Stöckelschuhe wurden gesucht, um dann mit Verspätung in die Mensa gewackelt zu kommen. An diesem Wochenende lernte ich vor allem meine Mitschülerinnen auf dem gleichen Stock kennen, wie auch die Mentoren (Internatsbetreuer).

Doch nicht jedes Wochenende ist IWO und so kehrte bald die „alte“ Routine ein, bei der ich oft noch auf die Hilfe anderer angewiesen bin, wie etwa beim Bedienen des viel zu komplizierten Druckers. Und dann gibt es den Freitag. Dieser Tag hat eine besondere Stellung im Leben eines jeden Schülers. Er bedeutet, dass das Wochenende beginnt. In Torgelow merkt man das mehr als sonst irgendwo. Koffer werden gepackt und die Vorfreude auf zu Hause ist regelrecht zu spüren. Alle wollen so schnell wie möglich mal wieder ausspannen, alte Freunde treffen und Party machen. Dabei ist ein Wochenende im Internat gar nicht mal schlecht. Neben einigen Ausflügen, zu denen ohnehin nur die Pflicht-Schüler mitgehen müssen, kann man auch hier ausspannen, endlich mal leckeres Essen genießen und andere Schüler, mit denen man sonst nichts zu tun hätte, besser kennenlernen.

Nebenbei bemerkt man bei einem Ruderboot-Ausflug, dass der See doch nicht der beste Ort zum Schwimmen und Rudern ist. Nach fast 6 Wochen auf Torgelow kann ich also sagen, dass ich doch froh bin, diese Schule ausgesucht zu haben. Auch wenn sich manche Vorurteile bewahrheitet haben, ist es sicher so, dass ich die Zeit hier sehr genieße und Torgelow als mein neues Zuhause akzeptiert habe. An viele der neuen Gegebenheiten, welche einem zuerst merkwürdig vorkamen, musste ich mich einfach nur gewöhnen und nun kommen sie mir schon so vor, als ob sie schon immer Gang und Gäbe waren. Allein das Jagdzimmer ist mir immer noch nicht ganz geheuer.

Laura Bucher, Kursstufe 1 im Schuljahr 2013/2014